Auf den Spuren von König Ludwig II. von Bayern
- Ein Vierteiler anlässlich zu Ludwig's 178. Geburtstag -
Er ist weltbekannt; der Märchenkönig, der exzentrische Schlossbauer, der gerne die Nacht zum Tag machte und von seinem bayerischen Volk liebevoll als „unser Kini“ bezeichnet wird - König Ludwig II. von Bayern.
Ein Mann, der bereits zu Lebzeiten ein Mysterium war und selbst nach seinem Tod das Land bis heute im Unklaren lässt.
"Ein ewig Rät(h)sel will ich bleiben mir und anderen!"
(Zitat aus einem Brief an die Schauspielerin Marie Dahn-Hausmann vom 25. April 1876)
Was ist an jenem schicksalhaften Tag, dem 13. Juni 1886 zwischen 18:00 Uhr und 21:00 Uhr auf Schloss Berg am Starnberger See (ehemals Würmsee) wirklich passiert? Wurde Ludwig kaltblütig umgebracht, plagten ihn seit seiner Entmündigung Suizidgedanken, die er letztlich in die Tat umsetzte oder war sein viel zu früher Tod ein tragischer Unfall? Diese Fragen und noch viele weitere werden sich vermutlich nie endgültig klären lassen, doch genau diese Ungewissheit macht Ludwig II. unsterblich.
Ludwig's Geburt und Kindheit:
Ludwig II. Otto Friedrich Wilhelm von Bayern wurde am 25. August 1845 als ältester Sohn des Kronprinzen Maximilian II. Joseph von Bayern und der Kronprinzessin Marie Frederike von Preußen auf Schloss Nymphenburg in München geboren.
Nur drei Jahre später kam Ludwig’s Bruder Otto Wilhelm Luitpold Adalbert Waldemar von Wittelsbach zur Welt. Die beiden Geschwister standen sich von Beginn an sehr nahe und verbrachten ihre Kindheit größtenteils auf Schloss Hohenschwangau gemeinsam mit ihren Erziehern. Besonders zu Sybilla Freifrau von Leonrod hatte Ludwig bis zu deren Tod ein inniges Verhältnis - ein Denkmal ihr zu Ehren wurde auf Wunsch des jungen Thronfolgers angefertigt und in Augsburg aufgestellt.
Die zahlreichen Wandgemälde und -behänge die auf Schloss Hohenschwangau überall zu sehen sind, beeindruckten Ludwig schon im Kindesalter, da sie über die damaligen Sagenwelten des Mittelalters berichten. Dies war der Meilenstein für Ludwig's Liebe zur Kunst und Literatur. Doch der junge Aristokrat war schon immer vielseitig interessiert. So entdeckte er dank seiner Mutter Marie schnell die Vorzüge der Berge, die ihm innere Ruhe und Kraft gaben. Die Mutter des zukünftigen Märchenkönigs war eine begnadete Bergsteigerin, die ihre Söhne gerne zum Wandern mitnahm.
Das Verhältnis zu seinem Vater Maximilian war von Beginn an kühl und distanziert. Der schüchterne Ludwig interessierte sich weniger für Waffen, sondern viel mehr für die Baukunst, Prosaschriften und diversen Kompositionen - besonders jene von Richard Wagner. Schon im Kleinkindalter erschuf Ludwig mit Hilfe von Bausteinen kleine Kirchen, Klöster und andere Bauten, dessen Talent besonders von seinem Großvater Ludwig I. wohlwollend unterstützt und gefördert wurde. Mit 12 Jahren studierte er die Schriften Wagner's, dessen Person in Ludwig's Leben noch eine entscheidende Rolle spielen wird.
Ob das schlechte Vater-Sohn-Verhältnis schuld war, dass die beiden Männer charakterlich so unterschiedlich waren oder laut Gerüchten der zukünftige Thronfolger gar nicht der leibliche Sohn des Königs war, konnte nie aufgeklärt werden.
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Schloss Hohenschwangau |
Ludwig's Herrscherzeit und Beziehungen:
Der 10. März 1864 dürfte Ludwig’s größter Wendepunkt in seinem Leben gewesen sein. Denn der gerade einmal 18-jährige Sprössling, der weder Lebenserfahrung vorwies noch in die Staatsgeschäfte eingearbeitet wurde, musste nun über Nacht in die Fußstapfen seines Vaters treten, als dieser nach kurzer Krankheit plötzlich verstarb. Erst am darauffolgenden Tag, dem 11. März 1864 um 10:00 Uhr sieht sich Ludwig in der Lage seinen Eid auf die bayerische Verfassung abzulegen.
Eifrig las sich der frisch gekrönte König in die Regierungsunterlagen ein und ging besonnen seinen Aufgaben als Staatsoberhaupt nach. Auch persönlich entwickelte sich Ludwig weiter, als er den hochverschuldeten Komponisten Richard Wagner zu sich einlud, um ihm nicht weit entfernt von Schloss Berg am Starnberger See ein Haus einzurichten, damit dieser Ludwig stets besuchen und musikalisch unterhalten konnte. Der König von Bayern gilt bis heute als der größte Förderer Wagner's.
Um seine tiefe Bewunderung für Richard Wagner's Talent zum Ausdruck zu bringen, möchte er seinem Freund und Vertrauten ein Festspielhaus am rechten Isarhochufer errichten. Doch die Münchner sträubten sich gegen diesen Bau, sodass Ludwig's Vorhaben noch während der Planung scheiterte. Auch seine Mutter Marie konnte nie die musikalische Leidenschaft ihres Sohnes nachvollziehen, was dazu führte, dass sich die Beziehung der beiden langfristig verschlechterte.
Zu jener Zeit wird die Freundschaft zu Richard Wagner auf eine harte Probe gestellt: Als sich der Tondichter zu sehr in politische Themen einmischte, schritt die Regierung ein und Ludwig musste sich erneut dem Druck beugen und seinen Freund ins Exil verbannen. Ein freundschaftlicher Briefkontakt sowie eine zeitlebens finanzielle Unterstützung durch Ludwig blieben weiterhin bestehen.
Der junge König wirkt bis heute auf die Außenwelt stark und unbesiegbar. Mit einer Körpergröße von 1,92 m galt er für damalige Zeiten als extrem groß. Sein dichtes, schwarzes Haar und die tiefen, blauen Augen verliehen ihm ein besonders schönes Aussehen, was ihn zum Frauenschwarm des 19. Jahrhunderts machte.
Obwohl Ludwig die Qual der Wahl hatte, welche Frau er zur Gemahlin nimmt, blieb er bis zu seinem Tod unverheiratet und kinderlos. Am 22. Januar 1867 verlobte er sich aus einem spontanen Entschluss heraus mit Herzogin Sophie Charlotte von Bayern, der jüngsten Schwester der Kaiserin Elisabeth von Österreich (Sissi), allerdings löste er aus bislang unerklärlichen Gründen wieder das Versprechen. Herzogin Sophie verliebte sich nur drei Tage später in einen anderen Mann, dennoch blieb ein bitterer Beigeschmack beim Volk zurück.
Gerüchten zufolge soll der menschenscheue Träumer homosexuell gewesen sein, was einige Schriftstücke aus dem Jahr 1924 belegen könnten.
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Schloss Linderhof / Gartenanlage West
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Ludwig und seine Bauten:
Während seiner Regierungszeit setzte sich König Ludwig II. ein Denkmal durch seine prunkvollen Bauten, die einen an die schönsten Orte Bayerns führen. Hierzu zählen unter anderem Schloss Neuschwanstein, Schloss Linderhof und Schloss Herrenchiemsee. Aber auch Berghütten wie das Königshaus am Schachen und das Soiernhaus können durch ihre Extravaganz problemlos mithalten.
Die beiden Kriege 1866 und 1870-1871 trafen den bayerischen König schwer. Durch den Sieg der Deutschen und dem Überschwang des deutschen Nationalismus überschreibt Ludwig widerwillig den Kaiserbrief und akzeptiert somit die Kaiserkrönung Wilhelm I. von Preußen.
Trost suchte der Monarch in unterschiedlichen Bauprojekten, die seinen finanziellen Rahmen regelrecht sprengten. Schlussendlich kostete ihm sein scheinbarer Größenwahn den Thron. Obwohl Ludwig ausschließlich sein Privatvermögen dafür verwendete, nahm die Regierung seine immer größere und exotischere Bausucht nicht mehr länger hin.
Ludwig’s Entmündigung:
„Man nennt mich einen Narren.
Wird Gott, wenn er mich einst zu sich ruft, mich ebenso nennen?“
(Eine Aussage von König Ludwig II. von Bayern)
Wie sieht es für Außenstehende aus? Ein König der seinen repräsentativen Pflichten nicht mehr nachkam, der sich immer mehr zurückzog und Erfüllung in seiner Traumwelt suchte. Seine Fantasien übertrug er in die Realität, deren Umsetzung nur den wenigsten überhaupt gestattet war zu sehen. Dienerschaften wurden dazu aufgefordert seinen Rollenspielen beizuwohnen und bei diesen gar mitzuwirken. Konstrukteure waren stets bemüht all die bis ins kleinste Detail durchdachten Wünsche des Königs umzusetzen. Denn Ludwig war es egal, wie etwas zustande kam, Hauptsache der von ihm gewünschte Effekt war das Endergebnis, wie in Schloss Linderhof die beleuchtete Venusgrotte beweist.
Selbst seinen Schlafrhythmus stellte er um. Erst wenn die Sonne unterging, erwachte Ludwig, was ihm den Spitznamen "Mondkönig" einbrachte, genau das Gegenteil vom französischen Sonnenkönig Ludwig XIV., seinem Idol.
Besonders Schloss Linderhof wurde zu dieser Zeit sein Hauptwohnsitz, in dem er die Wintermonate verbrachte und seine allnächtlichen Schlittenfahrten unternahm. Den Sommer über bevorzugte der noch regierende König Bergfahrten durch die bayerischen Alpen wie z.B. zur Halbammerhütte und Kenzenhütte, zum Schachenhaus, zum Soirenhaus und nach Vorderriß. Wenn seine Mutter Marie nicht vor Ort war, verbrachte Ludwig den Herbst im Elternschloss Hohenschwangau. Marie's gesellige Art empfand ihr Sohn stets als zu laut und kaum ertragbar.
Doch mit diesem exzentrischen Leben soll nun endgültig Schluss sein. Ludwig, der weder Schloss Neuschwanstein noch Herrenchiemsee bis dato komplett fertigstellte, plante schon weitere Projekte wie beispielsweise Schloss Falkenstein, das Sommerschloss oder den byzantinischen Palast.
Um den König und das Land endgültig vor dem finanziellen Ruin und der Schmach der viel zu hohen Schulden zu bewahren, wurde ein vierköpfiges Ärzteteam einberufen die Ludwig II. für geisteskrank erklären sollten. Bernhard von Gudden, Hubert von Grashey, Friedrich Wilhelm Hagen und Max Hubrich stützen ihre Gutachten auf Zeugenaussagen und diversen Schriftstücken, die dem König heimlich entwendet wurden. Ludwig selbst wurde persönlich nie untersucht und dessen Leibarzt nie angehört.
"Seine Majestät sind in sehr weit fortgeschrittenem Grade seelengestört.
Allerhöchstdieselben leiden an jener Form von Geisteskrankheit, die mit dem Namen Paranoia bezeichnet wird."
(Ein Zitat von Dr. Bernhard von Gudden)
Am darauffolgenden Tag wurde König Ludwig II. von Bayern unter der Führung von Johann von Lutz entmündigt. Da Ludwig's jüngerer Bruder Otto aus psychischen Gründen nicht in der Lage war die Thronfolge anzutreten, setzte man Luitpold, den Onkel der Geschwister ein.
Nach einem missglückten Versuch den König umgehend nach der Entmündigung von Schloss Neuschwanstein abzuführen, traf am 11. Juni 1886 gegen Mitternacht erneut eine Kommission auf dem selbigen Schloss ein. Obwohl Ludwig von seinen treuen Freunden immer wieder Hilfsangebote erhalten hatte und teils vorab mit heimlichen Informationen über etwaige Vorhaben unterrichtet wurde, unternahm der König nichts. Scheinbar wollte er den bevorstehenden Hochverrat nicht wahrhaben.
Widerstandslos lässt sich dieser am 12. Juni morgens um 4:00 Uhr abführen, wo er in Schloss Berg am Starnberger See in Gewahrsam genommen wurde.
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Schloss Neuschwanstein
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Ludwig's mysteriöser Todesumstand:
"Diese Schmach überlebe ich nicht."
(Ludwig's Aussage auf dem Weg nach Schloss Berg)
Wusste Ludwig, dass er in nur wenigen Stunden nicht mehr leben wird und ließ sich deshalb ohne Gegenwehr abführen? Hatte der König bereits mit sich und seinem Leben abgeschlossen und den endgültigen Entschluss gefasst vor Ort Suizid zu begehen?
Oder sollte ein heimlicher Kontaktmann ihm zur Flucht verhelfen und der Plan ging schief?
Der 13. Juni 1886 war ein Pfingstsonntag.
Dem gottesfürchtigen Ludwig war es an jenem Morgen nicht gestattet zur Messe zu gehen, allerdings unternahm von Gudden mit ihm und zwei weiteren Pflegern einen kleinen Spaziergang um den Starnberger See. Am späteren Abend wiederholte sich das Ganze mit einer entscheidenden Änderung: Bernhard von Gudden und Ludwig II. von Bayern brechen alleine zum 18:00 Uhr-Spaziergang auf.
Als um 20:00 Uhr weder der entmündigte König noch der für ihn zuständige Psychiater zum Schloss zurückkamen, machte sich ein Suchtrupp auf den Weg. Nach einer zweistündigen Suche bei Regen fand der Hofoffiziant sowohl den Überrock als auch den Leibrock des Königs im Wasser. Nach 30 Minuten entdeckte man ebenfalls im Wasser den leblos treibenden König und unmittelbar daneben -ebenfalls tot- Dr. Bernhard von Gudden.
Gerade einmal 25 Schritte und 1,30 Meter Wassertiefe sollen der Fundort der Leichen sein.
Die Umstände wie es zu diesem tragischen Tod kommen konnte sind bizarr und die Gerüchte darum spektakulär.
Warum ist die Taschenuhr des Königs um 18:54 Uhr stehen geblieben, nachdem Wasser ins Gehäuse eindrang und die von Dr. von Gudden erst um 20:10 Uhr?
Bis heute gehen die Meinungen zum Tatabend stark auseinander. Hat Ludwig wirklich erst seinen Psychiater umgebracht, der versucht hat ihn von seinem Vorhaben abzuhalten, bevor er dann doch den Freitod durch Ertrinken gewählt hat? - Dies ist nämlich die offizielle Version.
Der König liebte das Wasser und war zudem ein guter Schwimmer - steckte also ein anderes Motiv dahinter wie ein vereitelter Fluchtversuch bzw. Mord?
Nach seinem Tod:
Nach der Aussegnung auf Schloss Berg am 14. Juni 1886 um 20:00 Uhr wurde der Leichnam zur Autopsie freigegeben. Dreizehn Ärzte führten am darauffolgenden Tag über fünf Stunden eine Sektion am toten König durch, deren Bericht allerdings für die Öffentlichkeit nur bruchstückhaft freigegeben wurde.
Die Einbalsamierung erfolgte anschließend.
Drei Tage lang wurde der Leichnam in der Hofkapelle aufgebahrt bis er schließlich am 19. Juni 1886 nach dem Leichenzug durch München in der Gruft der Michaelskirche beigesetzt wurde. Sein Herz wurde drei Wochen später am 16. August 1886 der Gnadenkapelle von Altötting übergeben. Seine Mutter Marie, sein Bruder Otto wie auch Kaiserin Elisabeth von Österreich trauerten um den einstigen König.
Was bleibt:
Was bleibt sind Ludwig's einzigartige Bauwerke. Besonders Schloss Linderhof, Schloss Hohenschwangau und Schloss Neuschwanstein lassen tief in die Seele Ludwig's blicken. Wie er die Welt sah, was ihn umtrieb und wofür er brannte. Letzteres Gebäude soll -falls der Antrag bewilligt wird- als UNESCO-Weltkulturerbe eingetragen werden.
Obwohl Ludwig diese Gebäude errichten ließ um sich von den Menschen abzuschotten, hat er sie noch näher an sich gebracht. Denn seine Andersartigkeit, seine Willenskraft und seine einzigartige Perfektion haben ihn zum König der Herzen werden lassen, nicht zuletzt durch den Tod, der vermutlich hätte verhindert werden können.
Bis heute existiert der Geheimbund der Guglmänner, die sich für eine restlose Aufklärung über die Todesumstände von Ludwig einsetzen.
"Die Guglmänner SM. König Ludwig II. haben es sich zur Aufgabe gemacht, nicht zu ruhen, bis die Todesumstände vollkommen aufgeklärt sind. Der König war kein Selbstmörder und erst recht kein Mörder; wir werden es nicht zulassen, daß unser König diesen Rufmord und diese Schmach noch länger zu erdulden hat."
An dieser Stelle möchte ich mich ganz herzlich bei der Bayerischen Schlösserverwaltung für die Bereitstellung sämtlicher Bilder bedanken.
Was für ein interessanter Bericht. Ich bin wieder ganz begeistert von deiner Recherche
AntwortenLöschenVielen Dank dafür. Einiges wusste ich tatsächlich gar nicht.
LG Heidi
Hallo liebe Heidi,
Löschenvielen Dank für Dein liebes Feedback :)
Ja das war ganz schön viel Arbeit das alles zu recherchieren und dann in Form zu bringen.
Aber es freut mich sehr wenn es Dir gefällt. Dafür lohnt es sich :)
Liebste Grüße
Andrea ♥
Einfach Klasse wie viele Fakten du zusammen trägst.
AntwortenLöschenIch bin total begeistert von deiner Recherche.
Wirklich super geschrieben.
LG Heidi
Liebe Heidi,
Löschennochmals vielen Dank für das liebe Lob.
An dem Beitrag war ich schon ein paar Tage dran. Weil man ja nicht zu viel, aber auch nicht zu wenig schreiben möchte. Aber ich glaube ich habe im Großen und Ganzen die goldene Mitte gefunden- auch wenn es auf den ersten Blick schon viel Text ist.
Liebe Grüße und einen schönen Abend
Andrea ♥